Tuesday, September 27, 2016

Muß eine Auflage von Ödön von Horváth die Austrofaschisten beleidigen?


Ich lese eine Bearbeitung von Ö von H's Jugend ohne Gott. Hier und da gibt es Fakten nebenbei dem Roman erzählt.

Zum Beispiel, nach zwei Seiten (gut, Halbseite + Bild, Bild + zwei Drittel einer Seite) und vier Linien über Nazonalsozialisten (d h, nach dreißig Zeilen über Nationalsozialisten) kommen dann zehn Zeilen über Austrofaschisten, hier:

Auch in Österreich ging es nicht demokratisch zu. Von 1933 bis 1934 hat dort Engelbert Dollfuß als Diktator in enger Freundschaft mit den italienischen Faschisten regiert und damit die Grundlage für den Austrofaschismus gelegt. Meinungs- und Pressfreiheit wurde abgeschafft, wirtschaftlich herrschte der Korporativismus (keine Tariffreiheit, Streikverbot). In Schulen und Universitäten musste [sic!] in katholisch-vaterländischem Geist unterrichtet werden. Für Universitätsstudenten waren vormilitärische Zeltlager obligatorisch. Als 1938 Österreich nach einem Plebiszit mit dem Deutschen Reich verienigt wurde, war das totalitäre Regime im Lande schon Tradition.


Der Titel des Faktenstücks war Nationalsozialisten und Austrofaschisten.

Es wird nicht erwähnt :

  • daß die Gleichgültigkeit gegenüber Leben der Neger, die in Deutschland (oder dem im Roman geschilderten Land) von sich ging, in Österreich unmöglich gewesen wäre (im wirklichen Deutschland unter Hitler vielleicht auch, wenn der Roman parodisch war?);
  • daß in Österreich 33 - 38 unmöglich ein Militärlager die Osterferien hätte ersetzen können;
  • daß die Diktatur von Dollfuß von der Schuschnigg's gevolgt wurde WEIL EBEN 1934 Dollfuß ermordet wurde, und zwar von einem Hitler-treuen und großdeutschen Nazionalsozialisten;
  • daß zur Zeit der Freundschaft zw Dollfuß und Mussolini dieser noch nicht Rassist war;
  • daß die Unfreiheiten des Korporativismus sich ausglichen, da Tarriffreiheit eine Freiheit für Kapitalstarke ist, und Streikfreiheit eine für Arbeiter sind, die der Tarriffreiheit ausgesetzt wären wenn es diese gäbe.


Bei dem Thema Pressefrieheit wird nicht erwähnt daß eines der "Opfer" der österreichischen Zensur die nazionalsozialistische und Zigeuner-feindlich rassistische Propaganda war. Auch nicht daß Ö von H es eben nicht war. Siehe hier:

Als die SA nach Adolf Hitlers „Machtergreifung“ 1933 die Villa seiner Eltern in Murnau durchsuchte, verließ Horváth Deutschland und lebte die folgenden Jahre in Wien und in Henndorf am Wallersee bei Salzburg als eines der wichtigsten Mitglieder des Henndorfer Kreises um Carl Zuckmayer. 1933 heiratete er die jüdische Sängerin Maria Elsner. Die Ehe wurde ein Jahr darauf geschieden. Um zu überleben, kehrte er 1934 wieder nach Deutschland zurück[3] und versuchte trotz seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, dem Reichsverband Deutscher Schriftsteller beizutreten, und wurde Mitglied der Union nationaler Schriftsteller.[4] Als er jedoch im Juli 1936 aus Deutschland verwiesen wurde, wurde er im Februar 1937 aus der Mitgliederliste der Reichsschrifttumskammer gestrichen.[3]

Weil seine Stücke in Deutschland nicht mehr aufgeführt wurden, verschlechterte sich Horváths finanzielle Situation zusehends. Erst 1937, als sein Roman Jugend ohne Gott in Amsterdam erschien, konnte er wieder einen größeren Erfolg verzeichnen; der Roman wurde in mehrere Sprachen übersetzt, aber bereits 1938 in die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen und im Reichsgebiet eingezogen.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 fuhr Horváth nach Budapest und Fiume, bereiste einige andere Städte und kam Ende Mai nach Paris.


D h, durch die ganze Zeit des Austrofaschismus, sowohl Dollfuß wie auch Schuschnigg, lebte Ö von H in ... Österreich, als freier Mann, als freier Schriftsteller.

Für die Faktentexte war warscheinlicherweise Achim Seiffarth verantwortlich - und mit ihm waren es die Verleger - die schon jedenfalls - nämlich CIDEB.

Hans Georg Lundahl
Bibliotheke Audoux
Die hll. Kosmas und Damian
27.IX.2016

Hinweise:

Die Wikipädie : Ödön von Horváth
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96d%C3%B6n_von_Horv%C3%A1th


[3] Polt-Heinzl, Evelyne; Schmidjell, Christine: „Wär‘ das kein Film?“, Die Presse, 1. Dezember 2001, abgerufen am 3. November 2012.
http://diepresse.com/home/diverse/zeichen/288225/-Waer-das-kein-Film


[4] Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 268.